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Drei Jahre Haft für Redakteur des ÖDP-Bürgerblatts „Überblick“, Dr. Ralf Schramm

Quelle: Pixabay

So könnte die Schlagzeile lauten, wenn es nach dem Attenhofener Bürgermeister Franz Stiglmaier und 5 Mitarbeiterinnen und einem Mitarbeiter der Verwaltungsgemeinschaft Mainburg gegangen wäre. Die hatten nämlich Ende August 2021 Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft Regensburg wegen angeblicher Beleidigung gegen den Redakteur des ÖDP-Bürgerblatts „Überblick“ gestellt. Dafür sieht das Strafgesetzbuch Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren vor.

Beleidigt fühlten sich die Antragsteller wegen eines im „Überblick“ angestellten Vergleichs der Amtsführung des Bürgermeisters mit Zuständen von 1935 in Bezug auf die Kontrolle von Bürgermeister und Gemeindeverwaltung. Durch einen im Februar 2021 gefassten Beschluss, dass Anträge auf Akteneinsicht in abgeschlossene Vorgänge nicht mehr auf die Tagesordnung des Gemeinderats gebracht werden sollen, wurde nach Schramms Meinung die nach der heute gültigen Gemeindeordnung gesetzlich verankerte Kontrollbefugnis des Gemeinderats untergraben. Genau in diesem Punkt sah Schramm Parallelen zu dem Zustand von 1935 - damals war nämlich nach der Deutschen Gemeindeordnung eine Kontrolle von unten, vom Gemeinderat her, nicht erwünscht.

In der öffentlichen Gemeinderatssitzung vom Juli 2021 betonte der Bürgermeister ausdrücklich, dass es auch tatsächlich seine Absicht war, derartige Anträge zu unterbinden. In dieser Sitzung hatte er nämlich gleich unter dem 1. Tagesordnungspunkt eine Aussprache zum ÖDP-Mitteilungsblatt „Überblick“, Ausgabe 02/2021 angesetzt. Für diese groteske Demonstration der Amtsmacht war der Zuschauerraum auch mit 5 Mitarbeiterinnen aus der Verwaltungsgemeinschaft gefüllt. Die verließen den Raum sofort nach Abschluss des Tagesordnungspunkts wieder.

Der Bürgermeister trug 20 Minuten lang vor, was ihm persönlich neben dem vorstehenden Vergleich noch alles an den Inhalten des Bürgerblatts nicht gefällt. Seiner Meinung nach

  • seien die imÜberblick vorgetragenen Sachverhalte in vielen Teilen falsch und zeugten von mangelndem Verständnis für die Zusammenhänge oder offenbarten einfach nur Wissenslücken des Autors;
  • seien die Kollegen aus dem Gemeinderat sowohl über den Inhalt des Blattes aber auch über die selbstverherrlichenden Selbstdarstellungen massiv verärgert, die die Arbeit der Ratskollegen bewusst in einem schiefen Licht erscheinen ließen;
  • seien dem Bürgerblatt viel von Schramms juristischem Halbwissen sowie Unterstellungen und Verunglimpfungen aller Art zu entnehmen;
  • müsse ein Mehrheitsbeschluss auch von Gemeinderatsmitglied Schramm in einer Demokratie mitgetragen werden!

Der letzte Punkt ist möglicherweise Dreh- und Angelpunkt für die in der Öffentlichkeit verbreitete Meinung, Schramm sei gegen die Gemeinde. In einer Demokratie sollte es doch geradezu selbstverständlich sein, dass ein Gemeinderatsmitglied eine andere Meinung vertreten kann als die Mehrheit. Warum sollte sich mit der Beschlussfassung diese Meinung ändern müssen. Genau das verlangt aber der Bürgermeister, wenn er propagiert, man müsse einen Mehrheitsbeschluss mittragen. Ganz gewiss nicht. Lediglich akzeptieren muss man eine Mehrheitsentscheidung. Rechtlich zweifelhafte Entscheidungen dürfen dabei natürlich auch geprüft werden.

Nun, zum Ende des Vortrags, zu dem Schramm jegliche Stellungnahme vom Bürgermeister ausdrücklich untersagt wurde, forderte der Bürgermeister vom Redakteur des Bürgerblatts eine umfassende Entschuldigung über die Inhalte des „Überblick“.

Hierzu sah Schramm allerdings keine Veranlassung. Nun zündete der Bürgermeister die nächste Eskalationsstufe. Er ließ einen Beschluss fassen, die Inhalte des Bürgerblatts sowohl zivil- als auch strafrechtlich prüfen zu lassen. Die gesamte Vorgehensweise sei angeblich mit der Rechtsaufsicht abgesprochen. Die wollte das auf Nachfrage allerdings nicht bestätigen, sondern verweigert die Aussage. Gesagt, getan. Er wendete sich an eine renommierte Münchner Anwaltskanzlei und ließ Schramm schriftlich zu einer Entschuldigung auffordern. Darüber hinaus ließ er auch Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft Regensburg wegen angeblicher Beleidigung stellen. Dieser Antrag wurde von den bei der Sitzung anwesenden 5 Mitarbeiterinnen sowie von einem Mitarbeiter der Verwaltungsgemeinschaft mitgetragen.

ÖDP-Gemeinderatsmitglied Schramm, der sich zu keinem Zeitpunkt irgendeines Fehlverhaltens für schuldig sah, erfuhr wärenddessen breite Unterstützung innerhalb seiner Partei ÖDP. Seine Antwort auf diese Bedrohung fasste er beispielsweise in einem Leserbrief zusammen. Darin verwies er deutlich auf das durch das Grundgesetz und die Bayerische Verfassung geschützte Recht der freien Meinungsäußerung sowie der Machtkritik, der Kritik an der Amtsführung eines Amtsträgers.

Über eine von Schramm beauftragte Anwaltskanzlei ließ er eine umfassende Stellungnahme bei der ermittelnden Staatsanwaltschaft Regensburg einreichen. Nach einem knappen halben Jahr erging schließlich die Entscheidung der Staatsanwaltschaft: Mit einem deutlichen Verweis auf das hohe Gut der Meinungsfreiheit wurde das Verfahren eingestellt. An den Anschuldigungen war also nichts dran.

Nach der gewaltigen Lawine, die Bürgermeister und Verwaltungsmitarbeiter/innen losgetreten hatten, war nach Bekanntgabe der Entscheidung des Staatsanwalts Anfang Januar 2022 allerdings kein Wort mehr von diesen zu hören.

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